„Ach, diese allzu menschlichen Widersprüche!“, heißt es einleitend in der Pressemitteilung Gemeinderatsfraktion der Grünen. Mit diesem Seufzer spielt sie darauf an, dass die große Mehrheit der Bürgerschaft sich einerseits eine autoarme historische Innenstadt mit hohem Wohlfühlfaktor wünscht. Wo man sich trifft, verweilt, Kultur genießt und einkauft. Man schwelgt ja gern in Urlaubserinnerungen an malerische Orte – frei von lärmendem und platzraubendem Autoverkehr. Doch macht man sich versuchsweise daran, auch in Rottweil ein ähnliches Flair zu schaffen, bricht Unmut aus. Vor allem da, wo Autos, die sich bislang durch die Innenstadt quetschten, neue Wege suchen.
Wie rauskommen aus der Zwickmühle?
Doch wie findet man heraus aus dieser Zwickmühle? Den Verkehrsversuch zur Regel machen oder alles wieder zurück auf null? Rottweils Grüne halten’s eher mit dem jüdischen Witz: Wenn du die Wahl zwischen zwei Möglichkeiten hast, wähle die dritte. Und die sehen sie darin, den Autoverkehr gesamtstädtisch zu verringern. Schrittweise. Dann haben alle was davon. Doch Mobilität neu zu ordnen, gleicht einem Hexenwerk. Der Griff zum Autoschlüssel beim Verlassen der Wohnung ist eine zähe Gewohnheit. Und Einschnitte werden leicht als Bevormundung empfunden, die viele auf die Palme bringt.
Es verlangt also Fingerspitzengefühl, um die Mehrheit der Stadtgesellschaft zu verführen, öfter mal das bequeme Auto stehen zu lassen. Dazu braucht’s überzeugende Argumente. In den Augen der Grünen-Fraktion darf man aber ruhig auch mal Gefühle sprechen lassen, etwa den Stolz auf die schutzbedürftige Schönheit des Stadtbilds. Dieser Stolz flackert ja nicht nur während der Fasnetstage kurz auf.
Überhaupt hatten die Grünen laut Pressemitteilung den Eindruck, dass die öffentliche Diskussion sich während des Verkehrsversuchs oft in Einzelfragen verzettelte. Das eigentliche Zukunftsprojekt geriet dadurch immer mehr aus dem Blick: die Aufwertung und Belebung der historischen Innenstadt. Wohnen, Kultur, Handel und Aufenthaltsqualität sollen gedeihen mit einer Infrastruktur auf der Höhe der Zeit. Das gelingt – zahllose andere Städte belegen das – nur mit weniger belastendem Autoverkehr.
Ein Beitrag: Ein-Euro-Ticket
Eine sanfte Stellschraube zur Verkehrswende sehen die Grünen unter anderem in attraktiven öffentlichen Verkehrsmitteln. Sie ersparen nervige Parkplatzsuche. Und wenn das Bezahlen verständlich, einfach und kostengünstig ist, konkurrieren sie erfolgreicher mit dem Auto. Das Ein-Euro-Ticket könnte dazu auch in Rottweil Chancen bieten. In Radolfzell ist das Ein-Euro-Ticket jedenfalls ein wahres Erfolgsmodell. Die ursprünglich veranschlagten Verluste verringerten sich dort um zwei Drittel. In der Region testen auch Tuttlingen und Schramberg diesen Weg.
Die Grünen beantragten daher mit Blick auf die anstehenden Haushaltsberatungen zunächst einmal eine Kalkulation, mit welchem Defizit die Stadtbus Rottweil GmbH rechnet, wenn ein Ein-Euro-Ticket im innerstädtischen Busverkehr eingeführt würde. Dieser Verlust wäre gegebenenfalls über den städtischen Haushalt auszugleichen.